Der Bauerngarten - der Schatz von Agnes Sester
Der Bauerngarten liegt vor dem Hof ausgebreitet wie ein bunter Teppich. Von
ferne grüßen übermannshohe Stockrosen entlang des Holzzaunes. Ein duftender
Rosenbogen über der Gartentür lässt uns eintreten ins Reich der Bauerngärtnerin.
Ein Wegekreuz mit Rosenrondell teilt den Garten in Nutz- und Kräuterbeete. Vorne
laden Johannis- und Himbeersträucher zum Naschen ein, am Zaun entlang wetteifern
je nach Blütezeit Phlox, Iris, Rittersporn, Margariten, Dahlien und Astern.
Nützliches ist mit Schönem vereint - besonders prachtvoll im Frühsommer.
Elemente dieser klassischen Bauerngartenstruktur finden sich in fast allen
Gärten, die glücklicherweise noch zu vielen badischen Bauernhöfen gehören. Darunter
sind wahre Schmuckstücke. Sie sind Kulturgüter, die sich nicht unter Denkmalschutz
stellen lassen. Sie wollen jedes Jahr aufs Neue gehegt und gepflegt werden.
Sie brauchen Tradition, weil standortabhängiges Gartenwissen von einer zur nächsten
Generation weitergegeben wird und fordern die Experimentierfreude ihrer Bewirtschafterinnen
für neue Gemüse- oder Blumensorten. Vor allem aber brauchen sie Zeit und Passion.
Etwas, was der heutigen Landwirtschaft und der vielseitigen Beanspruchung vieler
Bäuerinnen oft fehlt. Doch immer mehr junge Frauen lernen den eigenen Garten
und das darin selbst gezogene Gemüse für die Familie wieder zu schätzen. Garten
ist im Trend, der Bauerngarten macht da keine Ausnahme.
Agnes Sester vom Sesterhof aus Gengenbach-Reichenbach kann aus dem Vollen schöpfen.
"Wenn ich nicht weiß, was ich kochen soll, gehe ich durch den Garten und schaue,
was als Nächstes weg muss", sagt die Seniorbäuerin (Jahrgang 1926). Garten und
üppige Hofbepflanzung sind ihr größtes Hobby. Der Bauerngarten ist farben- und
formenprächtiges Schaufenster des Schwarzwaldhofes und bei Urlaubsgästen und
Spaziergängern gleichermaßen beliebt. Dass sich Bauerngärten neuen Trends anpassen
zeigt sich auf dem Sesterhof am Kräuterhochbeet, einer Gartenlaube oder dem
überdachten Tomatenhaus, das die Paradiesäpfel vor der Braunfäule schützt.
Im kleinen Gewächshaus werden Setzlinge vorgezogen. Für Überzähliges findet
sich in der Nachbarschaft Abnehmer. Im Weinbergsklima der Ortenau ist das Gewächshaus
fast Luxus, in den Höhenlagen des Schwarzwaldes dagegen notwendig. Hier beginnt
das Gartenjahr etwas später, um auch früher wieder zu enden. Tomaten wollen
nicht so recht reif werden. Bunte Bauerngärten sind hier noch seltener geworden.
Doch auch hier schaffen Bäuerinnen mit viel Liebe und gärtnerischem Fachwissen
gärtnerische Kleinode.
Die Ursprünge der bäuerlichen Gartenkultur sind eng mit den mittelalterlichen
Klostergärten verbunden. Dort wurden vor allem Heilkräuter und veredeltes Obst
kultiviert. Wissen darüber, sowie neue Arten und Sorten wurden an die Landbevölkerung
weitergegeben. Auch die Landgüterverordnung Karls des Großen empfiehlt den Bauern
neue Nutz- und Heilpflanzen zur gesunden und vielfältigeren Ernährung. Die Römer
schließlich brachten etwa Weinraute und Salbei über die Alpen und beeinflussten
den Südwesten durch ihre hoch entwickelte Gartenkultur.
Barbara Sester, Freiburg i.Br.
Literaturtipp
Im Buch"Blühender Schwarzwald" findet sich eine mehrseitige Reportage zum Garten des Sesterhofs. Außerdem rund 20 weitere Prachtgärten von Baden-Baden bis zum Hochrhein.Evelyn Thieme / Jutta Schneider / Michael Will Blühender Schwarzwald, Gärten öffnen ihre Pforten, 180 Seiten mit über 300 Fotos, Übersichtskarte, Großformat 25 x 31 cm, gebunden mit Schutzumschlag, ISBN 978-3-87463-458-8, Euro 29,80, Mercator-Verlag, Duisburg